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Sympathisch wie Homer Simpson.
Verachtend wie Stromberg.
Rassistisch wie Cartman.
Genies wie Sheldon Cooper.
Kindlich begeistert wie Mr. Weasley.
Und –
tief vergraben unter einem Berg von Oberflächlichkeit:
- Verletzlichkeit, Herz und Emotion.
Es gibt sehr wenige Figuren die viele dieser Eigenschaften vereinen.
Es sind spannende Figuren.
Nicht nur weil es spannend ist Ihnen zuzugucken. Sie stehen auch unter einer Spannung.
- Meistens will ich mich von Ihnen abwenden: Sie sind die größten Arschlöcher unter der Sonne.
- Oft sind sie witzig und bescheuert und ich fange an zu lachen.
- Und manchmal sehe ich ihre innere Zerrissenheit und ich möchte sie einfach nur in den Arm nehmen.
Mehr oder weniger.
Ich stelle dir drei von Ihnen einmal vor:
© Zeichnung von Carsta Spies
Figur Rufus
Im Point-and-Click-Adventure „Deponia“ (der erste Teil einer Quadrologie) sitzt die arbeitslose Hauptfigur Rufus auf einem Müllplaneten fest: Er möchte nach oben – zur Oberschicht auf den Planeten Elysium. Sein Erfindungsgeist und seine Umsetzung alles noch schlimmer zu machen und dabei über Leichen zu gehen ist durch nichts zu ersetzen! Dennoch ist er von allen Bewohnern der Einzige mit der Hoffnung auf ein besseres Leben!
Durch sein Ungeschick fällt die Elysianerin Goal vom Himmel, in die er sich unsterblich verliebt. Zum einen bedeutet sie für ihn die Möglichkeit endlich nach Elysium zu kommen. Zum anderen ist mit ihrer Anwesenheit an eine Mission gekoppelt: Den Müllplaneten vor einer Intrige zu schützen: Sie soll den Planeten retten, den Rufus so schnell wie möglich hinter sich lassen will.
© Zeichnung von Carsta Spies
Figur Archer
In der Cartoon-Serie „Archer“ geht es um den fiktiven Geheimdienst „ISIS“, der sich in den 80er Jahren in Amerika mit ständigen Geldproblemen herumschlagen muss. Die titelgebende Hauptfigur ist der weltbeste Geheimagent, der für die Chefin der ganzen Firma arbeitet: Seine Mutter.
Archers steht immer noch auf seine Exfreundin Lana, die mit ihm auf Außendiensten unterwegs ist. Die Beziehung zerbrach an Archers Ödipus-Komplex: Seine Gefühle für seine Mutter belasteten die Beziehung doch stark. – Und obwohl Archer Lana liebt, ist er absolut nicht nett zu ihr und eigentlich zu kaum jemandem: Er ist ständig am Sprüche klopfen, streiten und rücksichtslosem Niedermachen seiner gesamten Umwelt.
© Zeichnung von Carsta Spies
Figur Rick
Der verrückte Wissenschaftler Rick aus der Fernsehserie „Rick and Morty“ ist der Großvater seines Sidekicks Morty. Rick hält nichts von Schule und entführt seinen Enkel regelmäßig aus dem Unterricht, obwohl dessen Noten das nicht wünschen. Gemeinsam geht es auf phänomenale Abenteuer durch Körper, Raum, Zeit und Welten quer durch die Wissenschaft und Fantasie.
Rick ignoriert Mortys besorgten Eltern und denkt auch bei seinen Experimenten mehr an sich als an Mortys Gesundheit. Morty leidet wie selbstverständlich unter Ricks Entscheidungen und wird schroff behandelt oder sogar zurückgelassen. Trotzdem wird Rick von seiner Familie geliebt.
© Zeichnung von Carsta Spies
7 Zutaten
Alle 3 Stories sind übrigens eine Mischung aus Tiefgang und sehr speziellem (schwarzem) Humor, wobei der offensichtliche Fokus erst mal auf der Unterhaltung selber liegt.
Auch wenn alle Geschichten im Cartoonstil gezeichnet sind, sind vor allem „Rick and Morty“ und „Archer“ Serien für Jugendliche oder Erwachsenense.
Ach ja: Spoilerwarnung für alle Figuren und ihre Geschichten!
Ich habe aber Rick, Rufus und Archer ausgewählt weil sie eine unglaubliche Bandbreite aus Charaktereigenschaften haben.
Was diese Bandbreite ausmacht und warum viele Figuren (wie Homer, Stromberg, Cartman, usw.) nicht darunter fallen, kommt jetzt:
Hier sind 7 unwiderstehliche Zutaten für diese spannenden Arschloch-Charaktere:
(Die Kombination machts nämlich.)
Fangen wir mal direkt mit einer komplexen Zutat an, die sich entscheidend auf jede Figur ausgewirkt und unvermeidlich als Ausgangspunkt ist:
© Zeichnung von Carsta Spies
1. Die Verletzung
Jede Figur wurde in ihrer Vergangenheit verletzt. Jede Figur hat ihr Trauma. Jede Figur hat ihren Grund warum sie so geworden ist, wie sie ist.
Eine Verletzung ist immer eine Schwachstelle, die von der scheinbar so oberflächlichen Figur mit starken Emotionen besetzt ist: Jede Figur hat einen Umgang mit ihrer Schwäche gefunden – doch dazu später mehr.
Genau dieser emotionalen Teil der Figur schafft es Tiefgang zu erzeugen. Die Figur kann verstanden werden und das relativiert die Verurteilung des Betrachters: Man kann nur solange jemanden verurteilen, solange man seinen Hintergrund nicht kennt.
Schauen wir uns die Verletzungen der Einzelnen Figuren einmal näher an:
> RUFUS
Rufus Vater ist zu Rufus Kindheitszeiten selbst nach Elysium aufgebrochen. Und hat ihn zurückgelassen. – Sein Vater hat Rufus zurückgelassen.
In späteren Szenen sehen wir Rufus mit seinem Vater. (Wenn wir schon mal am spoilern sind: Das ist auch gar nicht Rufus richtiger Vater :P)
Sein Vater ist fast ein noch größeres Arschloch als Rufus selbst – vor allem zu Rufus selbst: Er spannt ihm ein Date aus und zögert die Rettung der Welt hinaus, um ihn eine Lektion zu erteilen. Rufus findet in ihm nicht, was er suchte: Bestätigung.
Tief im Innern ist Rufus total verunsichert.
Hier wird Rufus Verletzlichkeit im ersten Teil des Spiels zum Beispiel deutlich:
- Im Intro: Vor seinem endgültigen Aufbruch durchsucht er das ganze Haus nach brauchbaren Gegenständen. Die vererbte Truhe von seinem Vater möchte er noch nicht einmal öffnen. Er verbindet sie mit seinem Schmerz und verschenkt sie.
Später stellt sich der Inhalt als etwas besonderes heraus. An Rufus Reaktion sehen wir, wie wichtig ihm sein Vater unter all dem Schmerz doch ist: „Gib das zurück. Das war ein Geschenk von meinem Vater!“ - An der unteren Aufstiegsstation: Auf dem Weg nach Elysium erinnert sich Rufus an einem verlassenen Bahnhof daran, wie er damals von seinem Vater zurückgelassen wurde
> ARCHER
Archers Mutter war schon in seiner Kindheit niemals fürsorglich zu ihm. Zumindest nicht zu Archer selber. In ein paar Flashbacks erinnert er sich daran, dass die den Geburtstag seines Hundes größer gefeiert hat, als seinen eigenen.
In der Gegenwart sehen wir den Umgang von Archers Mutter mit einem anderen Säugling: Sie vernachlässigt das Kind, gibt ihm Alkohol und beschimpft es.
Wir können davon ausgehen, dass Archer das auch alles durchgemacht hat.
Und trotzdem (wie bei Rufus) sehen wir, dass Archer seine Mutter überhaupt nicht egal ist: Er will sie unbedingt retten, als sie in einer Folge als Geisel gefangen genommen wird.
> RICK
Zu Ricks Vorgeschichte ist absolut nicht viel bekannt (Stand: Ende der 2. Staffel). Wir kriegen ein paar Schnipsel mit. Doch wir wissen eigentlich nix: Er ist der mürrische Wissenschaftler-Großvater, der bei seiner Tochter lebt!
(Sollte ich was übersehen haben, freue ich mich über Kommentare. Aber untersteht euch die 3. Staffel zu spoilern, bevor ich die nicht gesehen hab <– Sobald das der Fall ist, entferne ich diesen freundlichen Hinweis!)
– Das Nichtwissen über Ricks Verletzung macht an dieser Stelle aber auch nicht viel aus. Denn Verletzungen drücken sich nicht nur durch Flashbacks, ausheulende Worte oder Erinnerungen aus.
Sondern auch dadurch, wie die Figuren sich in der Gegenwart verhalten:
© Zeichnung von Carsta Spies
2. Der Umgang
Aus jeder Verletzung entsteht ein Umgang mit der Verletzung selber. Keiner der Figuren scheint diese Verletzung wirklich aufgearbeitet zu haben. Stattdessen wirkt sich der Umgang in anderen Punkten aus: Ohne das Wissen über die Verletzung könnte man diesen Umgang schnell als plumpen Sarkasmus oder reine Oberflächlichkeit abtun. Doch nicht, wenn wir wissen, dass dahinter eine Verletzung steckt:
> RUFUS
Rufus behauptet, dass ihm sein Vater egal ist. Doch an anderen Stellen sehen wir anderes.
Auch wenn Rufus absolut nix auf die Reihe bekommt, ist er sehr überzeugt von sich: Man kann das ganze so interpretieren: Er gibt sich selbst die Bestätigung, die er von seinem Vater nie bekommen hat.
Das Niedermachen von alles und jedem kann seine Verbitterung sein.
Er hilft nicht ohne Gegenleistung. Das ist sowohl das Spielprinzip des Genres, als auch Rufus Charakter: Warum auch freiwillig helfen, wenn der eigene Vater einem freiwillig nicht geholfen hat?
Rufus spiegelt nur seine Vergangenheit.
Letztlich dreht sich für ihn alles um ihn selbst: In seiner Kindheit war sein Vater an der entscheidenen Entwicklungsstufe nicht da. Das hat Folgen!
> ARCHER
Bei Archer ist es ähnlich. Ohne zu detailliert zu werden:
Er wurde selbst wie Dreck behandelt – jetzt behandelt er jeden wie Dreck.
Es ging in seiner Kindheit nie um ihn – jetzt geht es nur um ihn.
Und nicht, weil er damals zu viel Aufmerksamkeit hatte.
Nur: Weil er damals zu wenig hatte!
> RICK
Jetzt wo du verstanden hast, wie Umgang und Problematik zusammenhängen können. Können wir Mutmaßungen darüber anstellen, was Ricks Umgänge für Verletzungen zugrunde liegen:
- Wurde er in seiner Kindheit genauso abweisend behandelt wie er jetzt mit anderen umgeht?
- Hat jemand nie an ihn geglaubt, weswegen er sich selbst beweisen musste ein großer Wissenschaftler zu werden?
- Wurde er in seiner Kindheit vernachlässigt und als unwichtig empfunden, wo er dieses Verhalten doch auf andere spiegelt?
Ich vermute mal: Er wurde nicht gut behandelt: Welcher Mensch mit einer gesunden Entwicklung und einem ausgeglichenen Selbstwert verhält sich zu den eigenen Verwandten wie ein Arschloch?
Das schöne an der Serie ist, dass Rick durch sein Umfeld auch mit seinen negativen Auswirkungen konfrontiert wird. (Dazu weiter unten mehr!)
In anderen Serien wie „Familiy Guy“ fehlt beispielsweise so eine Konsequenz für Peter Griffin.
© Zeichnung von Carsta Spies
3. Das Eine Ziel
Rufus will nach Elysium. Das ist sein Lebensziel – von der ersten Szene an. Dort hinzugelangen ist die Geschichte.
Bei den beiden anderen Figuren ist es schwieriger: Sie sind auch Teil einer episodenhaften Erzählung, bei der kein Hauptplot das tragende Element ist.
Aber beide sind Narzissten:
Archer ist der größte Geheimagent.
Rick ist der größte Wissenschaftler.
Sie geben alles, um das zu sein und zu bleiben.
Und. Sie wären mit Sicherheit gekränkt, wenn man sie nur als Zweitbeste einstuft.
Schön lässt sich das erkennen, wenn ein Konkurrent auftritt und das Größtmögliche aus den Figuren rauskitzelt:
- Archer hat als Gegenspieler den Geheimagenten „Barry“. Der Kampf zwischen den beiden fängt schon durch eine Vorgeschichte an und wir vom persönlichen Hass gegen den anderen getragen!
- Rick als Wissenschaftler kämpft in einer Episode gegen den Teufel mit seiner Magie – Wer ist stärker?
- Und auch Rufus hat als Gegenspieler „Cletus“ – der Begleiter und Verlobte von der Elysianerin Goal!
Zu Rufus und Archer kommt als eines große Ziel ebenfalls noch ihre Liebesbeziehung hinzu: Goal und Lana.
Damit haben wir bei den beiden schon mal zwei große Ziele die konkurrieren – weiter unten mehr 🙂
Die Mittel
Was die Figuren zu Arschlochfiguren macht ist außerdem ihre Einstellung dazu, ihr Ziel zu erreichen: Der Zweck heiligt die Mittel.
- Rufus tötet Delfinbabys, gibt einem Bettler einen Schuh zu essen und lässt einen Sänger von Kraben auffressen.
- Archer hat die Lizenz zum Töten. Seinem Widersacher Barry er körperlich bereits so sehr verunstaltet, dass dieser halb ein Roboter ist. Auch sein Kollege Ray sitzt wegen ihm im Rollstuhl. Entschuldigt hat er sich nie.
- Rick vertröstet seine Familie mit gefährlichen Erfindungen, nur um seine Ruhe zu haben: So entwickelt sich das sprechende Haustier ungewollt weiter und mutiert zum Weltherrscher.
4. Der völlig eigene Lebensstil
Alle 3 Figuren sind Exoten. Jeder etwas anders. Trotzdem gibt es einige Eigenschaften, die sich bei fast allen Figuren durchzieht:
Alle sind auf einem Gebiet wirklich gut und einzigartig.
Und das muss nicht immer etwas positives sein:
> Jeder ist der Größte unter sich:
- Rufus macht alles noch schlimmer. Trotzdem ist er auch der Einzige der wirklich eine Hoffnung auf Besserung hat. Das macht ihn unglaublich sympathisch.
- Archer ist der beste Geheimagent. Er weiß auch immer wann das Magazin seines Gegners alle ist.
- Rick ist der größte aller Wissenschaftler. Er macht das Unmögliche wahr. Und er macht keinen Fehler, den er nicht auch wieder rückgängig machen kann (wissenschaftlich gesehen).
> Alle haben kleinere Schwächen und Macken:
- Rufus legt nicht viel Wert auf Äußerlichkeit und Sauberkeit
- Archer hat eine Schwäche für alle Frauen die gut aussehen und für Alkohol
- Rick hat eine Schwäche für Alkohol und legt ebenfalls keinen Wert auf sein Aussehen (wenn man seine betrunkenen Mundwinkel betrachtet)
> Und hier noch ein paar Dinge, die alle betreffen:
- Ein unglaublich hohes Selbstbild
- Großer Stolz. Keiner gibt zu, einen Fehler gemacht zu haben
- Kindlichkeit: Die Rettung der Welt steht auf dem Spiel? – Ja schon, aber da vorne ist ein großer Bagger – mit Schaufel. (Rick fällt bei diesem Punkt etwas außen vor)
5. Die innere Zerrissenheit
Was macht jede Figur so spannend?
Die Spannung in der Figur!
Sie will nicht nur eine Sache sondern gleich zwei Sachen:
Auf das innere und das äußere Bedürfnis werde ich in einem späteren Artikel noch näher eingehen.
Im wesentlichen kämpft in jeder Figur der Egoismus gegen den Altruismus (Aufopferung).
Schau dir noch mal die Ziele derFiguren unter Punkt 3 an: Von der Vergangenheit ausgehend kämpft hier jeder nur für sich: Das eine Ziel für sich alleine: Egoismus!
Der Altruismus ist immer der entgegengesetzte Konflikt – das Wohlergehen der Anderen. Dadurch, dass beide Gegensätze in jeder Figur schlummern entsteht eine Spannung und auch eine mögliche Entwicklung zum einen oder zum anderen:
- Rufus will nach Elysium und gleichzeitig seinen Heimatplaneten retten, wozu er den Planeten Elysium aber nie erreichen kann.
- Rufus liebt Goal. Gleichzeitig nutzt er ihren Status aus, um nach Elysium zu kommen.
- Archer ist seine Exfreundin Lana wichtig. Trotzdem ist er sich selbst auch sehr wichtig!
- Archer empfindet etwas für seine Mutter und für Lana. An dieser Spannung ist seine Beziehung zerbrochen.
- Rick geht es um seine Experimente und um sich. Doch ganz egal ist ihm seine Familie auch nicht.
6. Der aufopfernde Moment
Alle drei Figuren zeigen in seltenen Momenten echten Heldenmut:
Sie nehmen sich selbst zurück und stellen ein höheres Ziel als sich selbst über sich.
Hier wachsen die Figuren über sich hinaus, kriegen neben ihre schlechte Seite eine positive Idealseite gestellt. Die Figuren werden im wichtigsten Moment selbstlos.
Komischerweise passiert das meist vor Staffelende.
> Rufus
Rufus steht mehrfach vor der Wahl: Lässt er seinen Heimatplaneten sterben oder rettet er sich selber nach Elysium. Er entscheidet sich nie für Elysium, obwohl das sein größtes Ziel ist.
Wenn jemand sein größtes Ziel aufgibt für etwas anderes, war es vielleicht doch nicht sein größtes Ziel 😉
Irgend ein Youtuber hat diese Momente für Rufus und Deponia sehr schön zusammengefasst und diente mir als Inspiration. Ich weiß leider nicht mehr wer das war 🙁
> Archer
Archer behandelt seine Angebetete Lana wie Dreck. Vorwürfe, Streitereien und Betrug. Doch sobald eine Gefahr droht sind Archers ersten bestürzten Worte: „Lana!“ – und er rennt los, um sie zu retten!
In einer anderen Szene stehen Archer, Lana und zwei andere Menschen vor einer Entscheidung: Eine Unterwasseranlage bricht über ihnen zusammen und für die vier gibt nur drei Taucheranzüge.
Es kann nur eine Entscheidung geben: Die Frau wird zurückgelassen!
Vielleicht war das sogar Archers Idee.
Doch als herauskommt, dass Lana schwanger ist übergibt Archer ihr seinen Anzug. Eine Selbstverständlichkeit?
Wer Archer kennt, weiß: Das ist wohl das Selbstloseste, das er je getan hat! Und das freiwillig!
> Rick
Ende Staffel zwei wird Rick mit seinem eigenen unliebevollem Verhalten auseinandergesetzt: Durch sein eigenes Missgeschick und weil er sich nicht der Regierung stellen will, muss seine ganze Familie auf einem leeren, neuen Planeten ein neues Leben anfangen.
Durch Zufall hört er mit wie sich seine Familie über all seine Hässlichkeiten ihnen gegenüber beschweren. Und dass sie ihn trotzdem lieben und zu ihm halten, weil er ein Teil der Familie ist.
Rick schleicht sich weg. Tätigt einen anonymen Anruf zur Rettung seiner Familie. Und stellt sich als Verbrecher.
Im Knast wird er gefragt: „Was hast du denn falsch gemacht, um hierher zu kommen?“
Und er antwortet: „Alles“
Staffelende.
7. Das Umfeld
Was ist ein Popstar ohne Publikum?
Jemand der auf der Bühne steht und schreit!
Die Gesellschaft. Das Umfeld. Die Menschen.
All die, sind mindestens genauso wichtig, wie die Hauptfigur selber:
Denn sie reagieren auf die Hauptfigur.
Das Umfeld und die Reaktionen von allen anderen auf die Hauptfigur ist manchmal viel entscheidender als die Taten der Hauptfigur selber: Im Idealfall ergänzen sie sich und kontrastieren die einen vom Anderen:
Ich fasse mich kurz. Zwei Beispiele pro Figur, was mit Umfeld und Reaktionen möglich ist:
> Rufus
- Rufus ist der Einzige, der konsequent alle runter macht. Das macht ihn zum größten Arschloch der Welt.
- Die Elysianerin Goal ist die Einzige in Rufus Umfeld, der er sich manchmal netter verhält. Das zeigt seine Gefühle für sie.
> Archer
- Jeder andere Geheimagent vergeigt diese Mission. Archer handelt als Einziger ohne strategisch nachzudenken. Und gewinnt. Sein Umfeld ist absolut unfähig. Er ist der Held!
- Mit jeder Frau, die Archer verfällt wird gezeigt (wir sehen die Reaktion von ihr!), dass er absolut anziehend auf Frauen wirkt und er das schamlos ausnutzt.
> Rick
- Rick ist schlau. Sein Enkel Morty ist dumm. Durch die Zusammenarbeit entsteht ein Kontrast, der beide noch extremer darstellt: Morty ist der dümmste aller Schüler! Rick ist der begabteste aller Wissenschaftler!
- Noch ein Beispiel der beiden: Morty hat ein Herz für andere. Rick denkt an sich.
Warum so faszinierend?
Rufus, Rick und Archer sind sympathische Arschloch-Charaktere!
Sie sind auf ihre eigene Art und Weise sympathisch.
Doch viel mehr sticht ihre abstoßende Arschloch-Eigenschaft hervor.
Die Figuren stellen unsere eigenen negativen Seiten überspitzt dar. – Damit will sich aber niemand identifizieren.
Und trotzdem ist es bemerkenswert wie beliebt solche Arschloch-Charaktere bei Zuschauern sind!
Und bei denen, die diese Figuren nicht lieben, werden sie gehasst!
Unterm Strich, sind niemandem die Figuren egal!
Keinem!
Warum?
Ich habe mal die Menschen etwas beobachtet und versucht durch allgemeine Erkenntnisse über die Menschheit die Hintergründe aufzudecken, die Ursachen für diese Extremisierung sind:
- Die Figuren leben unsere eigenen geheimen Triebe aus:
Sie tun Dinge die wir wollen aber nicht dürfen. Uns nicht trauen oder nicht eingestehen wollen. Das macht sie faszinierend! Oder abstoßend!
- Wir wollen, dass sich die Figur bessert.
Wir wollen, dass das Umfeld der Figur Umfeld weniger leidet. Weniger Egoismus, mehr Altruismus und Aufopferung. Die Figur soll über sich selbst hinauswachsen: Die Hoffnung stirbt zuletzt!
- Täterfantasien sind ein Umgang mit eigenen Verletzungen:
Wir alle haben unsere Vergangenheit und unsere Verletzungen, bei denen wir einmal Opfer waren. Je nachdem wie sehr wir es waren und wie sehr wir damit abgeschlossen haben, ist in uns auch eine Täterfantasie aktiv: Die Arschloch-Figur übt diese stellvertretend für uns aus.
Jeder Witz ist eine Auflösung der inneren Spannung von schlimmen Ereignissen: Humor dient hier als Umgang und Ventil. Dabei zuzusehen, wie andere verletzt werden kann ein Umgang mit unserer eigenen Verletzung sein:
John Vorhaus stellt in seinem großartigen Buch „Handwerk Humor“ schon fest, dass Humor immer mit Schmerz und Wahrheit zu tun hat.
Ist diese Verletzung zu groß wenden wir uns angewidert ab: Keiner möchte, dass jemand noch tiefer in der eigenen, größten aller Wunden bohrt!
- Ungelöste Spannungen bleiben spannend:
Die wenigen emotionalen und aufopfernden Momente in den Geschichten machen sie so besonders: Vielleicht ist das die Spannung die uns dran bleiben lässt – mehr davon sehen zu wollen? Mehr die Figur zu verstehen? Denn sie befriedigt uns nicht. Sie ist spannend. Alles steht unter einer Spannung. – Und wir sehnen uns danach, dass sie gelöst wird.
Fazit
Trotz ihrer Einseitigkeit sind die Figuren doch eben vielschichtig, verletzlich, heldenhaft und menschlich.
Und sie bringen uns dazu, sich mit uns selber auseinanderzusetzen.
Kein Wunder, dass bei der Ideenfindung im Writingroom solche Figuren herauskommen!
Und das unterscheidet eine sympathische Arschloch-Figur auch von den relativ einseitigen reinen Arschlochfiguren wie Cartman oder Stromberg: Wir sehen in reinen Arschloch-Figuren keine wirkliche Schwäche, keine eigenen Emotionen, keine Vergangenheit. Nichts, das uns erklärt wie die Figur zu dem geworden ist – und keine Aufopferung der Figur für andere – niemals!
Du willst deiner Figur mehr Tiefe verleihen?
Mehr Vielfalt?
Mehr Spannung?
Nur zu:
Nichts ist so faszinierend, wie etwas, das wirklich faszinierend ist!
Es geht nicht darum einfache und platte Figuren zu erschaffen.
Es geht immer um die Story.
Der in die Jahre gekommene Hollywoodstar „Bojack Horseman“ aus der Netflix-Serie „Bojack Horseman“ ist auch einer.
Also son sympathisches Arschloch.
ich könnte die 7 Punkte auch noch mal durchgehen.
Halt die Klappe Sofa. Das interessiert keine Sau.
Sehr sehr cool! Konnte nicht aufhören zu lesen! Schön finde ich auch, Archer bisschen kennen zu lernen, da ich die Serie immer zufällig auf dem Bildschirm hatte ^^ liebe Grüße aus dem Meer!
Juhu, die erste Nachricht aus dem Meer!
Vielen Dank fürs kommentieren 🙂
Ich liebe es auch Figuren auf den Grund zu gehen und dabei festzustellen, dass die eben doch so komplex und echt sind, dass sie immer etwas unergründlich bleiben 🙂
In den letzten Staffeln ist die Serie übrigens mehr dazu übergegangen eine durchgehende Geschichte (pro Staffel) zu erzählen und weniger unabhängige, aufeinanderfolgende Episoden!
PS: Da du aus dem Meer kommst – Grüß mir Fischi. (<– Link) Er hat sich nachträglich für unser Fotoshooting zur Bebilderung des Artikels gemeldet. Doch ich hab seine Vorgeschichte akustisch nie richtig verstanden! ^^
Aaaah voll kuhl 🙂 Ich hab es gelesen! Und ich muss sagen: Es hat schon ein bisschen gefesselt 😀 eigentlich wollte ich es nur überfliegen.. aber dann konnte ich nicht aufhören. – Also: Sehr kuhl und wirklich interessant!
Danke fürs kommentieren.
Freut mich sehr, dass ich dein Interesse wecken konnte!
Und ich bin kein Kommentar, ich putze hier nur.
Du hast es weit mit Putzen geschafft. Über 3000 Wörter sind serifenfrei!
(Gut, dass ich dich dafür weder nach Wörtern, noch überhaupt bezahlen musste!)
Und schön zu sehen, dass meine Kommentare genauso drauf sind, wie Ich.
Dieser Artikel ist auch beim Putzen entstanden.
Oder war es statt dem Putzen?
Ich weiß es nicht mehr 😛
Danke fürs kommentieren!!!